Doppelt hält besser – Wo geht’s zur Moskauer Straße?

Gleich zwei Berliner Vororte haben eine Moskauer Straße, die Hauptstadt selbst aber nicht

DSCN0477Als Moskaus Fläche vor einigen Jahren verdoppelt wurde, gelangte auch eine Berliner Straße in das Straßenverzeichnis der russischen Hauptstadt. Auf dem Berliner Stadtplan sucht man dagegen vergeblich nach einem Hinweis auf die Partnerstadt.

Für die Moskauer Deutsche Zeitung

Ein Schreibfehler? Muskauer Straße. Im Zentrum Berlins, mitten in Kreuzberg, haben wir sie gefunden: die Straße, die die Partnerstadt Berlins ehrt, die russische Hauptstadt Moskau. Nur eben mit Schreibfehler. Oder ist das gar kein Irrtum?

Ist es nicht. Die Straße in Kreuzberg bezieht sich auf Bad Muskau an der Neiße in Sachsen, an der deutsch-polnischen Grenze, weltbekannt durch den Fürst von Pückler-Muskau und dessen Landschaftspark. Tatsächlich gibt es in ganz Berlin keine einzige Straße, Allee oder Chaussee und auch keinen Platz, der Moskaus Namen trägt. Dabei gibt es jahrhundertealte Beziehungen. Seit 1991 sind beide Metropolen auch offiziell Partnerstädte. Aber Moskau gibt es im Stadtbild nur in Form des legendären Cafés Moskau und architektonisch an der ehemaligen Stalin-, heute Karl-Marx-Allee zu finden.

Olaf Kühl ist bei der Stadt Berlin für die Partnerschaft zu Moskau zuständig. An Straßennamen, betont Kühl, „hängt das Glück der Städtepartnerschaft nicht.“ Wichtiger sei die Zusammenarbeit. Derzeit bemühe man sich, „wieder mehr Dampf in die Sache zu bringen“. Eine Straßentaufe gehöre allerdings nicht dazu, denn, so Kühl, es müsse schon ein sehr repräsentativer Ort sein. Und angesichts der anspannten politischen Lage, fürchtet er, „würde es derzeit auch etwas eigenartig wirken“, ausgerechnet Moskau zu bedenken.

Der Weg nach Moskau - eine Sackgasse? Moskauer Straße Ecke Lessingstraße in Glienicke/Nordbahn

Der Weg nach Moskau – eine Sackgasse? Moskauer Straße Ecke Lessingstraße in Glienicke/Nordbahn

Soll die Suche nach Moskau in Berlin also wirklich ergebnislos bleiben? Berliner sind ja für zweierlei bekannt: dass sie praktisch nie aus ihren Kiezen rauskommen, und dass sie im Gegenteil dazu stets den Blick über den Tellerrand schätzen. Und siehe da: Schon knapp hinter dem Berliner Tellerrand respektive der Stadtgrenze strahlt sie plötzlich auf: die Moskauer Straße. Sogar gleich doppelt. Ganz im Südwesten schließt sich die 8000-Seelen-Gemeinde Woltersdorf an. Laut Wikipedia die kleinste Kommune Deutschlands mit eigener Straßenbahn. Zwischen Wiener und Wilhelm-Tell- verläuft die Moskauer Straße. Die beiden Karls, Marx und Liebknecht, wohnen als Straßenpaten ganz in ihrer Nähe.

DSCN0445Und nochmal, im Nordwesten, nur wenige hundert Meter von Berlin, führt die Moskauer Straße durch das 600 Jahre alte Glienicke/Nordbahn. Dort leben 12.000 Einwohner, „großteils zugewandert“, wie Bürgermeister Hans Günther Oberlack berichtet. „Wir haben hier ‚the best of both worlds’“, erzählt er anspielend auf die Lage direkt bei der Metropole und doch ruhig gelegen. Die Moskauer Straße erhielt ihren Namen zu DDR-Zeiten, zuvor war sie nach dem preußischen Prinz Heinrich benannt. Sie liegt zwischen zwei Dünen, hier in der märkischen Endmoränenlandschaft – und zwischen zwei Größen: der Lessing- und der Schillerstraße. Auch Marx und Liebknecht sind wieder Nachbarn.

DSCN0481Links und rechts der schmalen Betonplatten stehen zwischen den Bäumen idyllische bis herrschaftliche Häuser. Einen Bürgersteig gibt es nicht, dafür unter Hausnummer 20 das Bürgerhaus, in dem kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Auch eine Kindertagesstätte liegt hier, sie unterbricht den Straßenzug und macht ihn für Autos nicht durchgängig passierbar. Unweit befindet sich die noch heute von den Anwohnern Leninpark genannte Grünanlage. Bürgermeister Oberlack hat was übrig für Städtebaugeschichte und Straßennamen. Warum Moskau? „Niemand hat sich je gewundert oder gar beschwert“, lacht er. Es gibt auch eine Odessaer Straße, „wir haben also einiges zu bieten“.

Zurück in Berlin fährt die S-Bahn quietschend in den Bahnhof Alexanderplatz ein. Plötzlich fällt es einem wie Schuppen von den Augen: Dieser riesige Platz, mit Fernsehturm und Rathaus, mitten in der Stadt ist ur-russisch, erinnert er doch schon seit 210 Jahren an Alexander I. Der Kaiser von Russland pflegte engste Beziehungen nach Preußen. Gemeinsam besiegte man Napoleon, der zuvor bis nach Moskau gekommen war. Und vielleicht kommt ja irgendwann auch endlich Moskau nach Berlin. Als Straße, Platz oder, standesgemäß, als Prospekt.

Hinterlasse einen Kommentar